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In den Boden investieren

„Zwischen Funktionieren und Scheitern liegt in der regenerativen Bodenbewirtschaftung nur ein sehr schmaler Grad“, sagt Gerhard Weißhäupl. Der Pionier auf dem Gebiet weiß, wovon er spricht, schließlich musste er mit seinem 40-ha-Ackerbaubetrieb in Haibach ob der Donau in Oberösterreich auch immer wieder Rückschläge verkraften. Die Umstellung auf regenerative Landwirtschaft hat sich für ihn jedoch gelohnt, inzwischen läuft sein Betrieb sehr gut.

„Zuerst das Bodenleben aktivieren und zwar über eine ganzjährige Begrünung, die anschließend zusammen mit effektiven Mikroorganismen und der richtigen Technik eingearbeitet wird. Darüber ganz langsam Humus aufbauen, dann funktioniert der Boden wieder von selbst.“ So einfach Gerhard Weißhäupls Zusammenfassung auch klingt, dahinter verbirgt sich viel Know-how und ein sehr langer Weg. „Niemand sollte allein aus finanziellen Gründen oder, um Betriebsmittel einzusparen, auf regenerative Landwirtschaft umstellen“, rät der Experte gleich vorneweg. „Man muss das auch aus Leidenschaft machen, dann stellen sich auch die Erfolge ein. Zudem muss man in Vorleistung gehen und zuerst in den Boden investieren. Und weil die Bodenmikroorganismen einfach Zeit brauchen, sollte man Geduld mitbringen. Leider geben viele
Landwirte nach den unvermeidbaren Rückschlägen zu früh auf und kehren ins alte System zurück.“

Lückenlose Begrünung
Ein Rezept mit Gelinggarantie gibt es nicht, dafür sind die Böden und klimatischen Bedingungen zu unterschiedlich. Feste Bestandteile bei der regenerativen Bodenbewirtschaftung sind u. a. die Minimalbodenbearbeitung und die dauerhafte Begrünung durch Untersaaten und Zwischenfrüchte mit mindestens zehn, besser 15 Mischungspartnern. Der Boden sollte ununterbrochen mit lebenden und möglichst tiefen Wurzeln durchzogen sein, da die Wurzelexudate das Bodenmikrobiom am Leben erhält und schon kurze Unterbrechungen dieses deutlich beeinträchtigen können. So sorgen z. B. die Wurzeln der Untersaat dafür, dass das Bodenleben auch während der Zeit der Getreideabreife bis hin zur Ernte nonstop versorgt wird, wenn die Getreidewurzeln bereits vertrocknet sind. Unmittelbar nach der Ernte wird die Untersaat aus Gräsern flach gefräst und damit zurückgedrängt, damit die gleichzeitig eingesäte Zwischenfrucht gut auflaufen und die Versorgung des Bodenlebens übernehmen kann. Eine Flächenrotte der gefrästen Untersaat ist wegen der geringen Pflanzenmasse und dem wenigen Pflanzensaft zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig. „Die Untersaat alleine als Begrünung stehen zu lassen, reicht übrigens nicht, da diese als Flachwurzler den Boden nicht ausreichend durchzieht“, erklärt Gerhard Weißhäupl. „Auf die neu ausgesäte Nachernte-Zwischenfrucht spritze ich mehrfach Bakterien und effektive Mikroorganismen, weil ich mit diesen Impulsgaben während der sehr wüchsigen Zeit im Spätsommer die besten Resultate erziele. Spätestens im Oktober arbeite ich diese Zwischenfrucht dann mit der Fräse wieder ein und säe nach der ein- bis zweiwöchigen Flächenrotte entweder eine Winterung mit einer Untersaat oder eine neue Zwischenfrucht, die über Winter stehenbleibt. Damit verhindere ich, dass die Zwischenfrucht blüht und Samen bildet. Das wirkt kontraproduktiv, weil die Pflanzen hierfür die Nährstoffe aus dem Boden wieder entnehmen, anstatt sie bereitzustellen.“

Flächenrotte statt Fäulnis
Gerhard Weißhäupl legt großen Wert auf die Flächenrotte. Hierfür wird der vorhandene Bewuchs mit einem Rotteferment u. a. aus effektiven Mikroorganismen besprüht und gleichzeitig sehr flach (4 – 6 cm) abgefräst, sodass ein großer Teil der Wurzeln im Boden verbleibt. Dabei hilft das Rotteferment, wodurch die Abbauprozesse in Richtung Rotte und nicht in Richtung Fäulnis gelenkt werden. Die zucker- und eiweißreichen Pflanzensäfte aus der frischen organischen Substanz sind der Schlüssel bei der Aktivierung des Bodenlebens und dienen als Futter für die gewünschten Bodenmikroorganismen. Diese vermehren sich und unterdrücken Krankheitserreger sowie die Keimung von Unkraut- und Ungrassamen. So wird Humus sukzessive aufgebaut. Wird zur Beschleunigung des Humusaufbaus zusätzlich zu viel externe organische Substanz z. B. als Kompost ausgebracht, kann diese durch das Bodenleben auch mit Hilfe von Fermenten nicht verarbeitet werden und es entstehen Probleme etwa mit bodenbürtigen Krankheiten oder Unkräutern. Das Bodenleben und der Humus müssen sich erst sukzessive entwickeln, um den Input an Wasser und Nährstoffen überhaupt speichern zu können und damit z. B. Mikronährstoffgaben auch einen Effekt haben können.

Auf die richtige Technik kommt es an
„Die Fräse ist das schlimmste Werkzeug für den Boden“, berichtet Gerhard Weißhäupl. Warum nutzt er für die Flächenrotte trotzdem eine Fräse? „Meine spezielle Fräse agiert nicht als Fräse, sondern als Hackgerät. Diese Messer schlagen in den Boden ein, hebeln einen kleinen Bereich vom Boden aus und mischen die Pflanzenmasse mit dem Boden optimal durch. Herkömmliche Geräte erfassen die Gräser in den Untersaaten nicht so sauber und das Einmischen funktioniert schlecht. Aber auch meine Fräse wird wieder zu einer richtigen und damit schädlichen Fräse, wenn sie falsch eingesetzt wird. Fingerspitzengefühl ist bei der Technik das A und O.“

Wasserversorgung von unten
Ziel bei der Bodenbearbeitung für die Flächenrotte ist, nur 4 – 6 cm und auf keinen Fall tiefer als 8 cm zu arbeiten, da so ein Großteil der Pflanzenwurzeln noch intakt bleiben und das Bodenleben weiter versorgt werden kann. Ziehende Werkzeuge wie z. B. Grubber arbeiten meist zu tief und verschmieren zudem die Mikroporen auf dem Bearbeitungshorizont, sodass der Luft- und Wasseraustausch gestört wird. Dasselbe passiert mit der Fräse bei zu hoher Drehzahl und/oder zu langsamer Überfahrt. Das Samenkorn soll auf dem Bearbeitungshorizont abgelegt werden. Durch den unmittelbaren Kontakt mit dem intakten Kapillarsystem wird das Samenkorn über die tieferen Bodenschichten mit Wasser und darin gelösten Nährstoffen versorgt. Anders als bei einer tieferen Bodenbearbeitung ist die Wasserversorgung der Kultur so unabhängig von Niederschlägen sichergestellt. Die durch die Fräse aufgelockerte oberste Bodenschicht selbst trocknet aus und schützt den Boden unterhalb des Bearbeitungshorizontes und somit auch die Kulturpflanzen vor Austrocknung.

Zur Aussat nicht rückverfestigen
Funktioniert dieses Prinzip überall? „Ja, nur mit Anpassungen an den jeweiligen Standort“, erklärt der Fachmann. „Für die meisten gilt: Nicht vor dem Regen fahren, weil sonst nur das Unkraut unnötig wächst. In der trockenen, locker aufliegenden Mulchschicht können die Unkräuter nämlich kaum keimen. Ich muss nur gewährleisten, dass das Saatgut auf dem festen Boden, also meinem Saathorizont, aufliegt und wirklich ganz exakt dort abgelegt wird. Mit welcher Technik ich das genau erreiche, ist von Standort zu Standort unterschiedlich. Allerdings birgt die Zusammenstellung der Bodenbearbeitungsgeräte einiges an Fehlerpotenzial. Nach dem flachen Auflockern z. B. mit der Fräse darf auf keinen
Fall rückverfestigt werden, sonst wird ein direkter Kontakt von der Oberfläche bis zum Bodenkapillarsystem wiederhergestellt und der Boden trocknet durch Sonne und Wind tief aus. Dieses System klappt auf trockeneren Standorten auch besser als bei uns mit mehr als 1.000 mm Jahresniederschlag. Zuviel Regen verfestigt die obere Schicht nur. Zudem soll die Wasserversorgung meiner Kultur ja nicht von oben, sondern von unten erfolgen. Und ich brauche die trockene, lockere Bodenschicht als Witterungsschutz obenauf.“ Bei der Rückverfestigung des Oberbodens mit viel organischem Material verdichtet sich dieses zudem zu einer pappigen und später fauligen Schicht. Erreichen im Laufe der Vegetation die Wurzeln den Fäulnisbereich, wird die Kultur durch Pilzkrankheiten und Schädlinge befallen.

Untersaat zusammen mit Getreideaussaat
Das Wintergetreide und die Untersaat aus verschiedenen Gräserarten sät Gerhard Weißhäupl in einem Arbeitsgang aus – und zwar in ein und dieselbe Saatrille. Zur Aussaat fräst er mit 6 – 8 cm etwas tiefer als mit 4 – 6 cm zur Flächenrotte ein bis zwei Wochen zuvor. Die Getreidesaat und die Feinsämereien der Untersaat legt er auf den festen Bearbeitungshorizont in bis zu 8 cm Tiefe ab, obenauf liegt die lockere, aufgefräste Bodenschicht. „Ich höre oft, dass Feinsaaten keine Chance hätten, aus dieser Tiefe bis zur Oberfläche zu wachsen“, so der Landwirt. „Mit herkömmlicher Technik, also mit Rückverfestigung, stimmt das auch. Aber bei dieser speziellen Methode schafft die Untersaat das ohne Probleme. Man kann das Getreide später auch gut striegeln, ohne dass man die Untersaat allzu sehr schädigt, weil sie einfach so tief verwurzelt
ist. Und man braucht nur ein Drittel des Saatgutes für die Untersaat, da der Auflauf so gut ist.“

Wie anfangen?
Wie fängt man am besten mit regenerativer Bodenbewirtschaftung an? „Mit dem immergrünen Boden“, sagt Gerhard Weißhäupl. „Wobei es nicht nur um die Zwischenfrüchte zwischen den Hauptkulturen geht, sondern vor allem auch um die Untersaaten. Die Untersaat hält das Leben im Boden und das ist das Wichtigste. Das können wirklich nur lebende Pflanzen, die machen die eigentliche Arbeit. Anders schaffen wir das nicht, egal, was wir da hinsprühen. Komposttee oder effektive Mikroorganismen sind nur Impulsgaben bei einer Bodenbearbeitung und kein Allheilmittel. Und vor allem langsam anfangen, die ersten Gehversuche auf einer kleinen Teilfläche des Betriebes machen, auch wenn das mehr Arbeit bedeutet. Bis der Boden mit einem gesunden Bodenleben und mit einem Humusgehalt von 5 % wieder zum Selbstläufer wird, warten die Fehler an allen Ecken und Enden. Ich habe inzwischen sogar zwei Parzellen von Pflanzenschutz und vor allem von der Düngung völlig abgesetzt und darf da möglichst nichts mehr falsch machen.“ Niklas Gillessen, RWZ-Projektmanager „Boden gut machen“, ergänzt: „Wir bieten mit unserem ‚Boden-gut-machen-Konzept‘ umfassende Beratung und ein Wissensnetzwerk zur regenerativen Landbewirtschaftung, damit interessierte Landwirtinnen und Landwirte bestmöglich begleitet werden und Fehler möglichst vermeiden.“

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